Fragen und Antworten - Konduktive Förderung nach Petö für Kinder mit Schädigung des zentralen Nervensystems

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Fragen und Antworten
   
Sie möchten mehr über die Konduktive Förderung wissen?
Wir versuchen Ihnen hier die am häufigsten gestellten Fragen rund um das Thema "Konduktive Förderung" zu beantworten.
   


Wer ist Prof. Petö?

Prof. Petö, geboren 1893 in Budapest, studierte Medizin und Pädagogik und praktizierte als Arzt in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Wien. Wien war ein europäisches Zentrum für Intellektuelle und Künstler - dies war die Aufbruchstimmung die Petö stimulierte, ein neues holistisches Fördersystem (Esther Cotton) zu entwickeln - die konduktive Pädagogik.


Für wen ist Konduktive Pädagogik geeignet?

  • Für Kinder und Erwachsene mit zerebralen Bewegungsstörungen wie Tetra- und Diparese, Athethose, Ataxie, Hemiplegie u. Mischformen verschiedenen Ursprungs
  • Kinder und Erwachsene mit spinomotorischen Dysfunktionen
  • Erwachsene mit neurologischen Erkrankungen wie Hemiplegie, M. Parkinson
Konduktive Pädagogik ist nicht geeignet für

  • Kinder mit Syndromerkrankungen, bei denen eine schwere geistige Behinderung vorliegt
  • Kinder mit sehr starken Sinnesschädigungen wie Blindheit und Taubheit
  • Kinder mit starken Verhaltensauffälligkeiten
  • Nicht einstellbare Epilepsie


Wie arbeitet Kondiktive Pädagogik?

Folgende Merkmale beschreiben und bestimmen die KP:

  • Die Konduktorin
  • Die Gruppe
  • Die Raumgestaltung und die Therapiemöbel
  • Der strukturierte Tagesablauf
  • Die konduktiven Programme oder Einheiten
  • Das rhythmische Intendieren
  • Die aktive Elterneinbindung

Die Kondukorin
   
„Der Erzieher/Therapeut muss durch seine personhafte Verantwortung Vertrauen schaffen ... es kommt auf die Erzieherpersönlichkeit an ... um beim Kind etwas zu erreichen“, Martin Buber und seine dialogischen Prinzipien dienen hier als Basis.
   
Die Persönlichkeit der Kondukorin ist von immenser Bedeutung, weshalb in der Ausblidung auf die Persönlichkeitsentwicklung großen Wert gelegt wird. Sie wird in einem vierjährigen Fachhochchulstudium erreicht, welches eng in der theoretischen und praktischen Ausbildung verknüpft ist.
   
Das Wissen über motorische Störungen ist entscheidend für den theoretischen Hintergrund der KP, ebenso wie das Verständnis der neurologischen Prozesse eine Grundlage dieses Wissens darstellt. Neurophysiologie und Neuropsychologie sind die Schlüsselkomponenten, um die dynamischen Prozesse zu verstehen, welche dem aktiven Lernprozess der KP unterliegen.
   
Ein weiteres Hauptaugenmerk in der Konduktoren-Ausbildung bildet die Programmplanung, die Tagesgestaltung, die Raumplanung und der Beobachtungsprozess des Kindes. Mit dem Diplom ist die Konduktorin berechtigt, in Zusammenarbeit mit dem Arzt Menschen mit Störungen des ZNS eigenverantwortlich zu betreuen und zu behandeln und Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit zu unterrichten. Dies ist eine Kombination, die es weltweit in keiner anderen Ausblidung gibt.



Die Gruppe oder das Gruppenprinzip
   
„Die menschliche Entwicklung ist kein Prozess, der sich von selbst vollzieht; sie ist nicht nur aktive Auseinanderstetzungen des Individuums mit seiner Umwelt, sondern resultiert auch aus den ständigen Anforderungen der Gesellschaft an das Individuum“ - diese Aussage und viele weitere Studien von L. S. Wygotsky, einem russischen Neuropsychologen, waren eine wichtige Basis für Petös Arbeit, besonders in der Idee, die der Gruppenarbeit zugrundeliegt.
   
Die Gruppe gehört in der konduktiven Pädagogik zum ganzheitlichen System, welches als Fazilitation dient. Gruppen wird in der Psychotherapie und Psychiatrie therapeutische Kraft zugeschrieben und genau diesen Aspekt der Gruppe macht man sich in der Konduktion zu Eigen.
   
Innerhalb einer Gruppe gibt es eine große Bandbreite von Entwicklungsständen der Einzelnen und jeder Einzelne bietet ein Model für den anderen. Man sieht, wie andere Probleme lösen und kann von ihnen lernen. Konduktoren nutzen die Gruppendynamik, um zu motivieren. Eine Gruppe wartet auf den Einzelnen bis er seine Aufgabe gelöst hat und der Fortgeschrittene wartet auf die Gruppe. Man beobachtet sich, lobt den Erfolg und die Leistungen - eine Vielfalt an sozialem Lernen ist möglich.



Rhythmisches Intendieren
   
„Andere geben einem betroffenen Kind den Rollstuhl, ich versuche, ihm zuerst die Sprache zu geben.“ (sagte Petö)
   
„Wenn man mit einer schwierigen physischen Aufgabe konfrontiert ist zieht man von irgendwoher aus einem selbst die Intention zu handeln ... das Ergebnis hängt nicht so sehr von den eigenen physischen Kräften ab, als vielmehr von der Kraft des inneren Willens, eine Form der Energie, die man in sich trägt.“ (Peat, 1995)
   
In der täglichen Arbeit mit behinderten Menschen sieht man oft, daß diesen Menschen dieser innere Wille fehlt. Das bedeutet nicht, dass sie nicht handeln wollen, sondern es ist begründet in einer Störung des dafür verantwortlichen neurologischen Prozesses. Das, was bei den meisten Menschen automatisch passiert, muss von einem Menschen mit Störungen des Zentralen Nervensystems ganz bewußt Schritt für Schritt erlernt werden.
   
Dieses Schritt für Schritt lernen wird vom rhythmischen Intendieren wesentlich beeinflußt und erleichtert. Wenn eine Konduktorin eine Intention wie „Ich strecke meine Finger“ verbalisiert, beginnen eine Anzahl von kognitiven Prozessen abzulaufen. Das Individuum hört eine Intention, die zu einem inneren Nachsprechen führt: Ich strecke meine Finger - dies breitet das ZNS auf die Handlung vor, beim Individuum entsteht ein inneres Bild, von dem, was es gleich tun wird. Nun wird aber erst die Intention nachgesprochen, was zu einer physischen Wahrnehmung dessen führt und der Person hilft, den Focus auf die Intention und die daraus reslutierene Handlung zu bringen. Diese Verbindung von sprachlichem Ausdruck und Handlung ist ein wichtiges Element des neurologischen Prozesses, der die Entwicklung des Bewegungsgedächtnisses steuert.
   
Umfangreiche Forschungen wurden hierzu von Wygotsky und Luria gemacht, die Prof. Petö für seine praktische Arbeit nutzte. Denken Sie z. B. zurück an ihre erste Tanzstunde - wie haben sie die neuen Tanzschirtte gelernt? Das innere oder äussere Vorsprechen von beabsichtigten Handlungen ist für uns alle beim Lernen eine wichtige Praxis.
   
Ein anderes Element ist der Rhythmus bei der RI. Die Konduktorin benutzt den Rhythmus entweder in Verbindung mit Musik, als dynamische Sprache oder indem sie zählt, um die anvisierte Handlung durch passenden Rhythmus zu bestärken. Je nach Behinderungsbild gibt es unterschiedliche Arten zu intendieren, dies muss genau erlernt werden. Es handelt sich hierbei um eine neurophysiologische Methode, die den Betroffenen hilft, erfolgreich zum Ziel zu gelangen.


Was bewirken die Möbel?
   
„Das was man begonnen hat, sei es eine Tat oder ein Gedanke, soll zu Ende geführt werden können“, - sagt Prof. Petö.
Dieser Gedanke war sicherlich eine wichtige Motivation für die Entwicklung seiner Möbel. Er wollte, dass die Kinder sich selbst stützen, halten, aufrichten und so mit Hilfe der funktionellen Möbel ihre Taten und Handlungen zu Ende führen können. Die Konduktiven Möbel, wie zum Beispiel der Sprossenstuhl oder die Pritsche, sind Hilfsmittel in vielen Tagessituationen, sie erleichtern viele Aktivitäten bzw. machen sie überhaupt erst möglich. Dies bedeutet jedoch nicht, daß KP nur mit den Möbeln möglich ist. Die Möbel stehen im Dienste der Kinder und der zu erreichenden Ziele, aber sie sind nicht notwendig für die Zielerreichung.
Was ist Konduktive Förderung in der Pfenningparade?
   
Ein konduktives Team von LehrerIn oder ErzieherIn, KonduktorIn, TherapeutIn sowie HelferInnen begleiten eine Gruppe von Kindern ganztägig in einem strukturierten Tagesprogramm. Wir nennen dies transdisziplinäres konduktives Team. Der Unterschied zum interdisziplinären Team liegt darin, dass die Kollegen orts- und zeitgleich arbeiten und somit voneinander lernen können. Alle Programme des konduktiven Tagesablaufs, seien es motorische, Selbständigkeits-, kognitive Programme (=Unterricht) oder Einzeltherapie sind logisch aufeinander aufgebaut, so wie es für das Kind mit seiner Störung passend ist. Die Konduktive Förderung wirkt durch folgende Elemente:

  • Das oben erwähnte transdisziplinäre Team
  • Das Zusammenführen wichtiger zerebraler Prozesse
  • Die Arbeit in der Gruppe
  • Die Ganztagesförderung, die eine gewisse Intensität und Quantität der Übung zulässt

In der Verwirklichung eines solchen Systems stößt man hier in Deutschland auf enorme Probleme, von denen ich einige nennen möchte:

  • Zu wenig in der Behindertenarbeit spezialisierte Fachkräfte, ein Therapeut erhält oft erst nach 5-6 Jahren Berufstätigkeit einen Bobathkurs - diese Spezialisierung gehört eigentlich in die Grundausbildung
  • Eine starke Trennung zwischen therapeutischer und pädagogischer Arbeit sowohl strukturell als auch inhaltlich und konkurrierendes Verhalten zwischen den Berufsgruppen
  • Therapie in Behandlungseinheiten von zu kurzer Dauer für die Schwere der Störungen
  • Finanzierung eines Konzeptes, das sowohl pädagogisch als auch therapeutisch ist

Daraus lassen sich folgende Foderungen ableiten:

  • Weiterbildung für die verschiedenen Berufsgruppen in Konduktiver Förderung - hier ist in Bayern ein erster Schritt erfolgt, indem die STPP in immenser Vorbereitungsarbeit mit dem bayrischen Sozialministerium und Kultusministerium einen zweijährigen Weiterbildungslehrgang konzipiert hat. Der Lehrgang hat erste staatliche Anerkennung erhalten, dies muß jedoch von weiteren Stellen, wie z. B. den Krankenkassen fortgeführt werden. Im Juli 2002 haben die ersten pädagogischtherapeutischen Konduktoren kurz PTK, ihre Weiterbildung beenden.
  • Gemeinsame Arbeit in transdiziplinären Teams muß strukturell ermöglicht werden
  • Integration der KF in das bestehende Rehabilitations- u. Fördersystem
  • Gemeinsame Finanzierungskonzepte in Form von Teilungsabkommen aller Beteiligten


Was ist das KF-System?
   
Dieses komplexe Fördersystem versteht sich in der praktischen Ausführung, d. h in jedem Moment der Interaktion, als untrennbare Einheit von:

  • Exakten behinderungsspezifischen Therapien - vor allem Bewegungstherapie mittels motorisch-funktioneller Programme – und
  • dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechende Erziehung und Bildung, mit dem Anspruch auf
  • größtmögliche Aktivität
  • selbständige Alltagsbewätigung
  • Selbststeuerung des Kindes und
  • Integration.

Das konduktive System ist die Antwort auf die inhaltliche, örtliche und personelle Trennung diverser Therapien und pädagogischer Fördereinheiten. Die zumeist additiv angewandten Maßnahmen werden durch ein gleichermaßen therapeutisch und pädagogisch mehrdimensionales Förderstystem ersetzt, das sich jederzeit zum Ziel setzt, die

  • emotionalen
  • sozialen
  • motorischen
  • sprachlichen und
  • kongnitiven
  • Persönlichkeitsbereiche des Menschen mit Behinderung gleichzeitig zu aktivieren.

Die konduktive Pädagogik wurde auf Grund von sprachlichen Übersetzungsproblemen, einem anderen politischen Umfeld, als dem unserigen, verschiedenen Interpretationen der Terminologie und der Tatsache, dass Prof. Petö eine lebendige Praxis vermachte (und nicht eine gut dokumentierte Theorie) oft missverstanden.
   
Seit einem halben Jahrhundert wird KP im Internationalen Petö-Institut, in Budapest praktiziert und weiterentwickelt. Dies führte dazu, dass heute mehr als 500 Babies, Klein- und Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene mit Störungen des zentralen Nervensystems in einem System von Ambulanz, stationärer und teilsstationärer Förderung und Nachbetreuung tagtäglich arbeiten. Die Konduktorin beginnt ihre Arbeit bereits am Inkubator eines geschädigten Kindes und begleitet die Eltern und das Kind kontinuierlich bis zur Schulentlassung.


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